eine Heldenreise: vom Silo zum Klangturm

Klangturm

Vom ausgedienten Betonsilo zum angesagten Klangturm

Melanie Springer-Restle
Eingesprochen von Melanie Springer-Restle

Als Landwirt Hans Lochbrunner im Jahr 1978 mit dem Bau seines Silos begann, ahnte er nicht, wie schicksalsträchtig die folgenden Jahre werden würden.
Jeden Tag goss er damals im Schweiße seines Angesichts einen Ring. Gießen, trocknen, gießen, trocknen.

14 Ringe sollten es werden mit je einem Meter Höhe.

Dass der damals noch junge Landwirt während des Baus vom Gerüst fiel, hielt ihn nicht von seinem Vorhaben ab. Bis heute ist sein Ellenbogen von dem Sturz beeinträchtigt. Er nahm es dem Silo nie übel. Auch nicht, dass er einst an dessen Ausdünstungen fast an einer Gasvergiftung starb, als er von außen ein Türchen öffnete und ihm das entgegenströmende Gärgas in eine Ohnmacht versetzte, die ihn beinahe in die Tiefe stürzen ließ.

Knappe dreißig Jahre später hatte das Silo ausgedient. Nicht etwa, weil es marode war, sondern weil sich die Ansprüche des Landwirts an eine konsequent ökologische Ausrichtung erhöhten. Das Füttern von Silage war fortan tabu. Doch abreißen wollte er das Silo nicht – zu mühevoll war der Bau, zu groß die Ehrfurcht vor dem grauen Zylinder, der obgleich seines schäbig anmutenden Erscheinungsbildes zum Ensemble des Hofes gehörte. Der graue Klotz, an dem so mancher Anstoß nahm, atmete, ja hatte eine Seele. Und mit Seelen geht man im Hause Lochbrunner behutsam um.

Sohn Albert entpuppte sich als Siloflüsterer, spürte sich in das Betongebilde hinein und verschloss sich nicht der Vision, die sich ihm eines Tages offenbarte: Der graue Zylinder sollte mit Musik gefüllt werden. Wie einst Getreidekorn für Getreidekorn eingelagert wurde, so sollte fortan Ton für Ton die Leere der langen Röhre füllen. Anders als bei der Silage, dürfen die Töne herausquellen wie einst der süße Brei aus dem Märchen der Gebrüder Grimm. Sie dürfen Hof und Herz einnehmen wie Diplomaten mit Blanko-Passierschein.

Ein befreundeter Schreiner der Familie realisierte den Ausbau zum Klangturm.
 
Wer vergessen hat, wie es sich anfühlt, sich selbst zu spüren, der sollte auf einen Besuch vorbeikommen. Selbst der introvertierteste, von Blockaden geprägte Zeitgenosse wird irgendwann den Drang verspüren, einen Ton abzusondern.

Die Belohnung lässt nicht lange auf sich warten. Sie heißt Resonanz.

Der Turm im Aktion oder kurz portraitiert im Video vom Bayerischen Rundfunk in der Folge Lust aufs Land Yakzucht in Oberbayern und Hanfanbau im Allgäu (S03/E03)